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In stiller Trauer nehmen wir Abschied von unserem langjährigen Vereinsvorsitzenden und Ehrenvorsitzenden

Herrn Prof. Dr. med. Dr. phil

Siegfried Borelli

geboren am 2. Juni 1924 in Berlin-Wilmersdorf
verstorben am 20. November 2021 in München

„Er war sehr interessiert und wenn es Probleme gab, stand für ihn die pragmatische Lösung dieser im Vordergrund und weniger die Ursachenforschung. Ich persönlich habe […] von Siegfried vor allem eins gelernt: Persönlichen Tiefschlägen und Schicksalsschlägen tritt man stärksten gegenüber indem man sich ihnen stellt […], einen Lösungsplan erarbeitet und diesen stringent verfolgt.“

– Prof. Dr. Göran Kauermann

Siegfried Borelli wurde am 2. Juni 1924 in Berlin-Wilmersdorf als einziges Kind des Kaufmanns Siegfried Borelli und seiner Ehefrau Irmgard geboren. Eigentlich wollte Borelli ursprünglich Förster werden, wurde aber nach dem Abitur als Soldat zur Wehrmacht im 2. Weltkrieg einberufen. Im Krieg in Russland hat er sein rechtes Auge verloren. Zu dieser Zeit hatte er sich bereits für den Arztberuf entschieden und legte als einer von 300 aus 10 000 Bewerbern die Aufnahmeprüfung zur Militärärztlichen Akademie des Heeres erfolgreich ab. Sein Medizinstudium nahm er erst in Berlin und dann in Prag auf.

Schon im 5. Semester musste er als Feldunterarzt des Heeres in Kriegslazaretten chirurgisch mitbehandeln. So erlebte er die Kapitulation vom 08. Mai 1945 in einem Kriegslazarett im Osten der heutigen tschechischen Republik in Mlada Boleslav. Borelli flüchtete drei Mal aus der russischen Gefangenschaft und erreichte durch ein Viadukt von Bauern geleitet die US-amerikanische Zone in Österreich, von Freistadt und Schwertberg gelang es ihm bis zum 03. Juli 1947 in die britische Besatzungszone auf Güterzügen und Kohlen-Loren bis zu Verwandten nach Hamburg zu gelangen. Nach dortiger Entlassung durch die Briten konnte er sein Medizinstudium an der Universität Hamburg mit dem 6. Semester fortsetzen.

Er schloss sein Studium 1948 ab und wurde zum Dr. med. promoviert. Seine Dissertationsarbeit “Über Aminosäuren im Blutserum – unter besonderer Berücksichtigung des Eiweißmangelzustandes und Hungerödems” entstand in der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg, Eppendorf (UKE) unter Leitung von Professor Arthur Jones. Seine erste Stelle als Assistenzarzt trat er am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf an. Dort war er zunächst in der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik tätig, dann in der Dermatologischen Klinik und Poliklinik.

Seinen Wunsch nach Vielseitigkeit und seine besondere Dynamik spiegelt das parallele Studium der Soziologie und Geschichte an der Universität Hamburg wider. Seine Promotion als Dr. phil. in diesen Fächern und im Nebenfach Psychopathologie legte er im Jahr 1950 mit der Arbeit “Charakterologische Untersuchungen unter besonderer Benutzung der Wartegg-Tests” erfolgreich ab. Borelli bearbeitete aber ebenso seine eigentlichen dermatologischen Interessensgebiete, die Berufskrankheiten, die Allergologie und insbesondere die Neurodermitis. Zusammen mit Urs Schnyder prägte er den Begriff Neurodermitis constitutionalis atopica.

1951 wurde er wissenschaftlicher Assistent an der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dieser Wechsel sollte seine weitere Laufbahn prägen, denn der Leiter der Klinik, Professor Alfred Marchionini, wurde zu einem wichtigen Vorbild. 1956 habilitierte Borelli sich zum Privatdozenten mit einer Arbeit über die Hautkrankheiten durch Kontaktstoffe im Friseurberuf. Marchionini hatte im Rahmen seines Exils in der Türkei vielversprechende Erfahrungen im Gebiet der Klimatherapie (1500m ü.N.N. im Uludag) gemacht. In seinem Auftrag suchte Borelli einen geeigneten Ort zur Durchführung von dermatologischen Klimatherapien, insbesondere bei Neurodermitis. Borelli fand den entsprechenden Ort schließlich im schweizerischen Hochgebirge und gründete 1960 die “Deutsche Klinik für Dermatologie und Allergie Davos” in Valbella. Borelli war bis 2001 Ärztlicher Direktor dieser Klinik.

1962 wurde er zum außerplanmäßigen Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München ernannt. Schließlich erhielt er 1967 einen Ruf zur ordentlichen Professur am Lehrstuhl für Dermatologie und Allergologie der Technische Universität (TU) München. Dort wurde er Direktor der neu gegründeten “Dermatologischen Klinik und Poliklinik”, heute “Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein” der TU München. Diese baute er mit sehr begrenztem finanziellem Spielraum in den schönen Räumlichkeiten des Biederstein von Grund auf auf. Umso höher ist die Tatsache zu werten, dass rund 20 Jahre später die Dermatologische Klinik der TU und die der LMU gemeinsam und gleichwertig den Deutschen Dermatologenkongress 1988 ausrichteten. Die Klinik leitete er bis zu seiner Emeritierung 1995.

Als erfolgreicher Klinikleiter und Hochschullehrer hat er an der Aus- und Weiterbildung des dermatologischen Nachwuchses mitgewirkt. Rund 150 Ärzte führte er zur Facharztprüfung. Unter seiner Betreuung entstanden etwa 200 Doktorarbeiten und 15 Habilitationen. Viele seiner Schüler wurden Chefärzte und erhielten Professuren. Borellis bemerkenswertes wissenschaftliches Werk umfasst mehr als 500 Publikationen in Fachzeitschriften, Büchern, Handbüchern sowie das sieben Bände und 16 000 Seiten umfassende Nachschlagewerk „Krankheiten der Haut und Schleimhaut durch Kontakte in Beruf und Umwelt” (1988), das bis heute von der Forschungsgruppe “Noxenkatalog-Datenbank” gepflegt und fortgeführt wird.

Neben seinem Engagement als Arzt, Forscher und Hochschullehrer brachte er sich über Jahrzehnte aktiv in die ärztliche Selbstverwaltung ein. Er engagierte sich als Delegierter bei Deutschen Ärztetagen und war Mitglied im Ausschuss „Arbeitsmedizin“ der Bundesärztekammer. Auf Bundesebene war er zudem Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und von 1985 bis 1993 Mitglied des KBV-Vorstandes.

Besonders hervorzuheben sind auch seine berufspolitischen Aktivitäten auf Landesebene. Von 1976 bis 2004 saß er in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), deren Vorstand er elf Jahre lang angehörte. In der Bayerischen Landesärztekammer war er ebenfalls über viele Jahre aktiv. 34 Mal war er Delegierter bei einem Bayerischen Ärztetag. Insgesamt engagierte er sich 38 Jahre lang im Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband München, wo er sich stetig und unermüdlich für die Interessen der gesamten Ärzteschaft einsetzte.

Ein wichtiges Anliegen für Borelli war die ärztliche Fortbildung. Als Vortragender und Organisator von Veranstaltungen, nationalen und internationalen Kongressen zeigte er herausragenden persönlichen Einsatz. Beispielhaft genannt seien hier die Fortbildungskongresse “Fortschritte der Allergologie, Immunologie” in Davos, die Tagungen der “Münchner Allergiegesellschaft am Biederstein” und die “Davoser Tage”, die unter seiner Federführung stattfanden. Hinzu kommen zahlreiche Fortbildungen an der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der TU München. Auch trug er zur Implementierung von Fortbildungen in den neuen Bundesländern bei. 1992 gründete er die gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der ärztlichen Fortbildung der “Euromed Leipzig”. Insgesamt organisierte er etwa 180 Fortbildungsveranstaltungen, wodurch sein Engagement geht weit über das übliche Maß hinausgeht.

Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt er zahlreiche Auszeichnungen: die Ernst-von-Bergmann-Plakette der BÄK, den Professor-Janowski-Award der Tschechischen Akademie für Dermatologie, den Franz-Kölsch-Preis für Arbeitsmedizin, die Goldene Ehrennadel der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die Ehrenmedaille des HB-Landesverbandes Bayern, die Hartmann-Thieding-Medaille des HB-Bundesverbandes, den Bayerischen Verdienstorden, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (BRD), das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der BRD, das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der BRD sowie das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse “Litteris et Artibus” der Republik Österreich. Hinzu kommen Ehrenmitgliedschaften zahlreicher nationaler und internationaler Fachgesellschaften – darunter die Jugoslawische, Bulgarische, Polnische sowie Tschechische Dermatologische Gesellschaft, die Tschechische Akademie für Dermatologie, die Deutsche STD Gesellschaft, die Münchner Dermatologische Gesellschaft und die Medizinische Gesellschaft von Oberösterreich.

Alfred Marchionini war 1954 und 1955 Rektor der Universität München, pflegte auch dort internationale Kontakte. Als Rektor war es ihm besonders wichtig, die Studenten der „Weißen Rose“ zu würdigen und zu ehren.

Die Idee für ein Studentenheim zum Gedenken an die Geschwister Scholl entstand. Marchionini bekommt die Erlaubnis vom Vater, Robert Scholl, den Namen der Geschwister Scholl zu verwenden. Marchionini hatte beste Kontakte zur bayerischen SPD, lernt den jungen Juristen Hans-Jochen Vogel kennen und fördert ihn. Vogel wird der erste Geschäftsführer des Vereins, dessen Nachfolger als Geschäftsführer Robert Jenisch wurde.

Borelli hatte die Aufgabe, sich um Themen im Zusammenhang mit der Gründung des Geschwister Scholl Wohnheims zu kümmern. So lernte ihn auch als Assistenzarzt Robert Jenisch kennen. Das war der Anlass, Borelli um die Übernahme der Vorsitzenden Position des gemeinnützigen Geschwister Scholl Wohnheimvereins in München zu bitten.

Das Andenken an die von den Nationalsozialisten ermordeten Geschwister Scholl war Borelli immer ein großes Anliegen, sodass er 1990 mit Freude den Vorsitz des Vereins übernahm. Unter seiner Verantwortung und der von Herrn Robert Jenisch wurde das Heim um einen Neubau erweitert. Nach dessen Fertigstellung wurde er im Januar 2020 zum Ehrenvorsitzenden des Vereins gewählt. Wir verdanken ihm viele Jahre seiner Förderung und werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Im Namen aller Mitglieder unseres Vereins und der Bewohnerschaft des Geschwister Scholl Wohnheims,

Die Studentische Heimselbstverwaltung

im Namen aller Heimbewohner

Prof. Dr. Peter v. Rüden 
Vorstandsvorsitzender
im Namen aller Vereinsmitglieder